Wie hast du dich geoutet?
Bei mir kann man wohl wirklich nicht von der typischen "Outing-Geschichte" sprechen. Im Alter von 12/13, in dem andere solche Seiten an sich entdecken, hatte ich ehrlich gesagt größere Probleme als meine Sexualität. Ich habe nie in Frage gestellt, dass ich nicht-hetero bin, doch was genau das hieß, war mir ziemlich lange, ziemlich egal. Wann immer mich jemand danach gefragt hat (was gelegentlich vorkam), habe ich stehts wahrheitsgetreu mit "ich weiß es nicht" geantwortet; dass fanden meine Schulkameraden zwar etwas merkwürdig aber da wir uns ohnehin nicht wirklich gut leiden konnten hat es auch keinen Unterschied mehr gemacht. Als ich dann mit 16 in die Oberstufe kam (ich habe die Schule gewechselt), war es überhaupt kein Problem offen und ehrlich mit meiner Sexualität umzugehen. Ich habe sehr schnell neue Freunde gefunden und obwohl ich es nicht direkt ausgesprochen habe, war uns allen klar, dass ich auf Frauen stehe. Nach nun drei Jahren weiß es wohl inzwischen auch der letzte aus meiner Stufe, sowie der Rest der halben Schule, ohne dass ich je öffentlich die Worte "ich bin lesbisch" in den Mund genommen hätte.
Bei meinen Eltern war das leider schon schwieriger, aber nicht weil sie homophob oder ähnliches wären sondern einfach aus dem Grund, da ich schon immer ein kompliziertes Verhältnis zu ihnen hatte und wir generell nicht viel redeten. Es fiel mir schwer das Thema Sexualität anzusprechen, weil es mir wie ein Tabuthema erschien. Ich hatte bis zu meinem tatsächlichen Outing mit 18 keine Ahnung wie die beiden nun zu Homosexualität stehen, weil sie nie in irgendeiner Weise eine Bemerkung fallen ließen, weder positiv noch negativ. Nachdem ich dann aber das erste Mal bei der BJ Wuppertal gewesen bin, erschien es mir lächerlich es noch länger unausgesprochen zu lassen, da ich mir sicher war, dass es für sie keinen Unterschied machen würde. Ich habe mich also nach dem wöchentlichen Einkäufen zu meiner Mutter an den Wohnzimmertisch gesetzt, ihr gesagt das ich mich vergangenen Montag nicht mit einer Freundin getroffen habe, sondern, dass ich bei einer schwul-lesbischen Jugendgruppe gewesen bin und dass ich eben auf Frauen stehe. Sie lächelte bloß, sagte, dass sie sich das schon gedacht habe und versicherte mir, dass sie mich bloß glücklich sehen möchte. Das darauffolgende Gespräch mit meinem Vater verlief dann genauso und nach diesem Tag haben wir nicht mehr wirklich über das Thema gesprochen, weil es ganz einfach nicht notwendig war.
Wie war die Reaktion?
Wie bereits erwähnt brauchte ich mich bei meinen Freunden gar nicht erst richtig outen, dementsprechend kann ich nicht sagen welche Reaktion es da gab, weil es einfach immer dazu gehörte. Ich wusste was Sache ist und sie wussten es auch ohne das ich es extra aussprechen musste. Bei den Leuten, denen ich sagen musste "Ach übrigens: Ich steh auf Frauen.", war die Reaktion stets ein Schulterzucken. Meine Eltern haben sich das ja schon gedacht und wir haben ja auch nicht mehr viel über das Thema gesprochen, sie freuen sich lediglich für mich, dass ich eine Freundin habe aber auch da mischen sie sich nicht ein. Die einzig merkwürdige Reaktion die ich einmal erhalten habe, war offenes Staunen, weil diese Person das nicht von mir erwartet hätte, aber das hat sich nach ein paar Minuten dann auch wieder gelegt.
Tipps fürs Outing:
Ich finde das man da gar nicht so einen großen Wirbel drum machen sollte. Das wichtigste und gleichzeitig auch schwierigste ist einfach sich selbst zu akzeptieren, so wie man ist. Hat man das einmal geschafft ist es relativ egal was der Rest von einem denkt. Sicher sind Freunde und Familie wichtig aber wenn es hart auf hart kommt schafft man das auch alleine, obwohl ich das keinem Wünsche. Man sollte Vertrauen in seine Freunde haben, weil die einen, selbst wenn man der festen Überzeugung ist, dass sie Homosexualität ablehnen, noch überraschen können.
Sollte man doch keine Überwindung finden, gibt es immer noch viele Internetportale in denen Jugendliche mit ganz ähnlichen Problemen sind oder eben Jugendgruppen wie die BJ, in denen man stets ein offenes Ohr, viel Unterstützung und neue Freunde findet.
Wieso gehst du dorthin?
Gute Frage. Auf dem Wuppertaler CSD hat die BJ mir einen ihrer Flyer in die Hand gedrückt und nach langem hin und her überlegen habe ich mich dazu durch gerungen mir das Ganze einmal näher anzusehen.
Nach dem ersten Treffen war die Sachen dann für mich geklärt: Da will ich öfter hin. Es ist einfach eine tolle Atmosphäre und nette Leute. Man fühlt sich sofort aufgenommen und bekommt gar nicht die Chance sich schüchtern in eine Ecke zurückzuziehen, weil es immer einen gibt der sich zu einem setzt und ein Gespräch anfängt. Von daher ist es eigentlich ein Idealer Ort für Jugendliche die noch unsicher mit sich selbst sind, da die Gruppe Sicherheit gibt. Aktionen wie das sommerliche Campen an der Bever-Talsperre oder gemeinsame Märsche auf den Christopher Street Days stärken da nur den Zusammenhalt und hinterlassen schöne Erinnerungen. Auch ist es ein tolles Gefühl, mitzuerleben wie neue dazu kommen und man dann schon zu den "alten Hasen" zu gehören.
Diskriminierung?
Ich selber bin glücklicherweise noch nicht wegen meiner sexuellen Orientierung diskriminiert worden. Sicher hört man hier und da mal einen schwulenfeindlichen Spruch. Ich war dabei als eine Gruppe von aggressiven Jugendlichen eine Gruppe von Schwulen und Lesben, wo ich zugehörte, bedroht hatte, doch nachdem wir die Polizei gerufen hatten, war die Sache dann auch geklärt.
Offenheit?
Generell binde ich niemandem auf die Nase, dass ich auf Frauen stehe, doch wenn ich es einem sage haben diese Menschen immer mindestens tolerant bis offen reagiert. Den meisten ist es inzwischen einfach wirklich egal welche sexuelle Orientierung man hat und ich finde das ist die Entwicklung die wir auch anstreben sollten.
Interessante Erfahrungen?
Ich hatte ein bis zwei "interessante" Erfahrungen insofern, dass mich so manches Vorurteil überrascht hat.
Es gibt da eine sehr nette Szene die ich einmal erlebt habe, nachdem ich spät abends nach Hause fahren wollte. Ich saß am Bahnhof und wartete auf den Zug, als mich ein Typ ansprach, der etwas älter als ich war. Er fragte mich die üblichen Dinge, "Wer bist du, woher kommst, wohin willst du" und da ich eigentlich keine Lust hatte mich zu unterhalten, sagte ich ihm auch irgendwann, dass ich kein Interesse hätte. Nachdem er fragte woran ich denn kein Interesse hätte, entgegnete ich nur "an dir". Er fragte was mich denn interessiert, meine Antwort lautete "Frauen", daraufhin sah er mich nur mit ganz großen Augen an und sagte, "das glaub ich nicht", ich fragte was er denn nicht glaubte und er antwortete, dass er nicht glauben könne dass ich auf Frauen stünde, sondern das nur so sagen würde, ich würde "nicht so aussehen"; das ließ mich dann schon stutzen, wie sieht denn jemand aus der auf Frauen steht? Sollte ich etwas mit einer wehenden Regenbogenflagge durch die Gegend rennen und einem Schild um den Hals, "Ich bin lesbisch!"? Das sagte ich natürlich nicht sondern hakte nach, was er meinte, "Du bist viel zu hübsch für eine Lesbe", war seine Antwort und ich musste an mich halten nicht laut aufzulachen. "Zu hübsch?", ich hatte in dem Moment das Bild meiner Kunstlehrerin vor Augen, welche wohl eine der attraktivsten Frauen ist die ich kenne und seit vielen Jahren mit ihrer Lebensgefährtin zusammen lebt. Dieses doch sehr merkwürdige Gespräch endete damit, dass ich endlich erlöst wurde, weil der Zug kam und ich eine Ausrede hatte zu gehen doch blieb es mir doch im Gedächtnis hängen, da das Weltbild dieses Mannes dem entspricht was viele zu wissen glauben. Nämlich das man einem gewissen Stereotyp entsprechen müsse um schwul oder lesbisch zu sein.