20 Mrz 2015
Die Unterdrückung der Homosexualität vom Nationalsozialismus bis Heute
- Gesetzlicher Zwang oder repräsentatives Meinungsbild?
Facharbeit im Leistungskurs Geschichte
Fachlehrerin: Frau Hohmann
Vorgelegt von:
Cimara Witte
Remscheid, 20. März 2015
Inhaltsverzeichnis
1.1 Jonathan Littells „Die Wohlgesinnten" und aktuelle Problematik
Nun ist es aber so, dass der Reichsführer SS die Homosexualität mit besonderer Besessenheit verfolgt. Die Homosexuellen machen ihm Angst, er hasst sie. Er glaubt, ein Mann mit homosexueller Erbanlage könne mit seiner Krankheit Dutzende junger Männer anstecken und all diese jungen Leute seien dann für die Rasse verloren. 1
Dieses Zitat stammt aus dem kontrovers debattierten Roman „Die Wohlgesinnten" des französischen Schriftstellers Jonathan Littell. Kontrovers debattiert deshalb, weil Littell in seinem Buch die dunkelsten Seiten des zweiten Weltkrieges thematisiert und dabei eine sehr direkte und ungeschönte Sprachwahl an den Tag legt und auch die Tatsache, dass Littell der erste Schriftsteller war, der es wagte, die Szenerie des zweiten Weltkrieges in einer solchen Form darzustellen.
Die Geschichte handelt überwiegend von dem fiktiven SS-Offizier Dr. jur. Maximilian Aue, welcher von seinen Erfahrungen an der Ostfront berichtet. Das besondere an Dr. Aue ist, dass dieser schwul ist. Dieser Fakt spielt in der eigentlichen Handlung des Buches zwar nur eine nebensächliche Rolle, stellt jedoch, oder gerade deswegen, einen interessanten Aspekt dar, denn obwohl es inzwischen allseits bekannt ist, dass auch Homosexuelle von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden, so wurden diese Opfer ebenso lange verleumdet und totgeschwiegen. Die Sicht eines selbst schwulen SS-Mannes auf die Verbrechen der Nationalsozialisten und deren Stellung zur Homosexualität hat mich dazu veranlasst, diese Facharbeit zu schreiben, da es sich um ein Thema handelt, welches in der öffentlichen Aufarbeitung nach dem zweiten Weltkrieg weitaus weniger Erwähnung gefunden hat, und nach wie vorfindet, als zum Beispiel der Holocaust an den Juden.
Des Weiteren ist Homophobie nicht bloß ein Phänomen des Nationalsozialismus, sondern auch in vielen anderen Kulturen noch bis heute zu beobachten. So werden Homosexuelle noch immer in 79 Staaten strafrechtlich verfolgt 2 , wobei in manchen Fällen eine Unterscheidung zwischen schwuler und lesbischer Liebe gemacht wird. Die Strafmaße liegen hier sehr unterschiedlich und reichen von einem einfachen Bußgeld, bis hin zur Todesstrafe. Auch innerhalb Europas leben Homosexuelle teils gefährlich, so hat Wladimir Putin im Juni 2013 das „Gesetz gegen die Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen gegenüber Minderjährigen" in Kraft gesetzt, welches es verbietet in der Öffentlichkeit und, im speziellen im Beisein von Kindern, positiv oder neutral über Homosexualität zu reden 3 und seit Januar 2015 ist es Transsexuellen und Transvestiten per Gesetzt verboten, einen Führerschein zu besitzen, da sie an Persönlichkeitsstörung litten und somit den Straßenverkehr gefährden würden 4 .
Auch in Deutschland stoßen Menschen mit anderweitig sexueller Orientierung nicht bloß auf Zustimmung. Im Sport beispielsweise, aber auch in der Kirche, zählt Homosexualität nach wie vor zu den „Tabuthemen".
Die Frage, welche ich mir nun stelle ist, ob die Unterdrückung und Verfolgung der Homosexuellen nur darauf zurückzuführen ist, dass ein entsprechendes Gesetz erlassen wurde oder ob eine homophobe Grundeinstellung bereits vorher vorhanden war.
Und wenn dem nicht der Fall ist, warum suchen sich totalitäre Staaten die Homosexuellen als „inneres Feindbild" aus?
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1 Jonathan Littell, Die Wohlgesinnten, S. 105
2 http://www.bpb.de/gesellschaft/gender/homosexualitaet/38847/strafrechtliche-verfolgung, vom 21.2.2015, 13:35 Uhr
3 http://www.handelsblatt.com/politik/international/interview-mit-russlands-praesident-putin-vergleichthomosexuelle-mit-paedophilen/9355094.html, vom 21.2.2015, 14:07 Uhr
4 http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/russland-transsexuelle-sollen-keinen-fuehrerschein-mehrmachen-duerfen-a-1012038.html, vom 21.2.2015, 12:44 Uhr
2. Die herrschende Gesetzeslage im Nationalsozialismus
Die Unterdrückung und Verfolgung von Homosexuellen reicht weit bis ins Mittelalter zurück. Vorrangig aus religiösen Gründen wurden Schwule und Lesben geächtet und bestraft. Auch heute noch sind viele der Meinung, Homosexualität sei „unnatürlich" und „falsch", dennoch verhindert das Gesetz gewaltsame Übergriffe und Willkür gegenüber Homosexuellen.
Möglich ist dies seit dem 11. Juni 1994, an dem der §175 außer Kraft gesetzt worden ist.
(1) Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt, wird mit Gefängnis bestraft.
(2) Bei einem Beteiligten, der zur Zeit der Tat noch nicht einundzwanzig Jahre alt war, kann das Gericht in besonders leichten Fällen von Strafe absehen.
§ 175 a
Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten wird bestraft:
1. ein Mann, der einen anderen Mann mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben nötigt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
2. ein Mann, der einen anderen Mann unter Mißbrauch einer durch ein Dienst-, Arbeits- oder Unterordnungsverhältnis begründeten Abhängigkeit bestimmt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
3. ein Mann über einundzwanzig Jahren, der eine männliche Person unter einundzwanzig Jahren verführt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
4. ein Mann, der gewerbsmäßig mit Männern Unzucht treibt oder von Männern sich zur Unzucht mißbrauchen läßt oder sich dazu anbietet. 5
So der genaue Wortlaut des Paragraphen, nach welchem viele tausend Menschen verurteilt und gerichtet worden sind. Auch nach der Nazizeit wurden Schwule und Lesben sowohl in der DDR als auch in der BRD verfolgt, doch die wohl meisten Opfer stammen aus der Zeit in der Hitler die Macht über Deutschland besaß. Gesprochen wird von 140.000 verurteilten Männern innerhalb von 122 Jahren 6 , davon stammen 50.000 Verurteilungen aus dem NS-Regime 7 .
Bereits kurz nach Hitlers Machtübernahme, am 6. Mai 1933, stürmten Studenten das Berliner Magnus Hirschfeld Institut für Sexualforschung, um die dortige Bibliothek nieder zu brennen. Im Juli 1919, gründete Magnus Hirschfeld sein Institut, auch ist er Mitbegründer für die Homosexuellen- Bewegung und setzte sich schon früh für Vielfalt und Toleranz ein. Dr. Hirschfeld, ein Wissenschaftler, welcher selbst, sowohl homosexuell, als auch Jude war und somit ein Dorn im Auge der Nationalsozialisten, schrieb außerdem viele Werke über Sexualität und reichte schon 1898 eine Petition für die Abschaffung des § 175 ein - ohne Erfolg. Die Petition wurde mit der Begründung abgelehnt, „Homosexuelle korrumpieren die Nation", sie zerstören die Moral, seien „undeutsch" und würden zu dem Zerfall des deutschen Reiches beitragen 8 . 1901 veröffentlichte Hirschfelds Wissenschaftlich-Humanitäres Komitee die Aufklärungsschrift „Was soll das Volk vom dritten Geschlecht wissen! ", in welcher er versucht, auf das Problem der Geschlechtsrollen aufmerksam zu machen. So weist er darauf hin, dass das „dritte Geschlecht", wie er es nennt, nicht an „Übersättigung, Selbstbefleckung" oder einer „Furcht an Fortpflanzung" leidet, sondern schlicht an Angst ums eigene Leben, da das alleinige homosexuell sein, dieses schon durch den § 175 und er fordert die Aufhebung des Selbigen.
Nein, dieser Paragraph schützt nicht das Natürliche, wie er wollte, er bekämpft es; nicht die Tat, sondern das Gesetz ist widernatürlich, es sei denn, daß man die Natur für widernatürlich erklären wolle. 9
Doch trotz dieser Bemühungen und der Arbeit von Magnus Hirschfeld wurde der § 175 nicht geändert. Als es dann in den Jahren 1923/24 zu einem großen Mordprozess gegen Fritz Haarmann kam, einem geistig behinderten Homosexuellen, welcher mehrere junge Männer tötete, zerstückelte und ihre Körperteile verkaufte, schien der Kampf gegen den Paragraphen endgültig verloren. 10
Am 14. Mai 1928 erschien im „Schwarzen Korps" eine Stellungnahme der NSDAP zum Thema Homosexualität.
Nicht nötig ist es, dass du und ich leben, aber nötig ist es, dass das deutsche Volk lebt. Und leben kann es nur, wenn es kämpfen will, denn leben heißt kämpfen. Und kämpfen kann es nur, wenn es sich mannbar hält. Mannbar ist es aber nur, wenn es Zucht übt, vor allem in der Liebe. Unzüchtig ist: Frei Liebe...Darum lehnen wir sie ab, wie wir alles ablehnen, was zum Schaden des Volkes ist.
Wer gar an Mann- männliche oder Weib- weibliche Liebe denkt, ist unser Feind. Alles, was unser Volk entmannt, zum Spielball seiner Feinde macht, lehnen wir ab, denn wir wissen, dass Leben Kampf ist und Wahnsinn zu denken, die Menschen lägen sich einst brüderlich in den Armen...Die Naturgeschichte lehrt uns anderes. Der Stärkere hat Recht. Und der Stärkere wird sich immer gegen den Schwächeren durchsetzen. Heute sind wir die Schwächeren. Sehen wir zu, dass wir wieder die Stärkeren werden! Das können wir nur, wenn wir Zucht üben. Wir verwerfen darum jede Unzucht, vor allem die Mann- männliche Liebe, weil sie uns der letzten Möglichkeit beraubt, jemals unser Volk von den Sklavenketten zu befreien, unter denen es jetzt front. 11
Diese Stellung ist sehr repräsentativ für die gesamte Haltung der Nationalsozialisten und spiegelt sich auch in dem wieder, was nach dem 30. Januar 1933 geschieht. Keinen ganzen Monat nach Hitlers Machtergreifung, am 23. Februar, wurde ein Verbot von Pornographie und Homosexuellen erlassen, woraufhin Gaststätten und Clubs schließen mussten. Noch im selben Jahr werden die ersten Homosexuellen in die Konzentrationslager Dachau und Hamburg-Fuhlsbüttel geschickt. Ein Jahr später geschah dies bereits ohne jegliche Gerichtsverfahren 12 . Doch trotz dieser Geschehnisse haben sich viele Homosexuelle noch einigermaßen sicher gefühlt. Der Grund dafür war vor allem Ernst Röhm. Es war kein Geheimnis, dass der SA-Führer schwul war und dies auch regelmäßig auslebte und doch hatte er ein enges Verhältnis zu Adolf Hitler und wurde von diesem respektiert und unterstützt. Dies nahm jedoch ein abruptes Ende, als sich am 30. Juni 1934 die so genannte „Nacht der langen Messer" oder auch „Röhm-Putsch" ereignete, welche bis zum 2. Juli andauerte und über 200 Opfer forderte 13 . Hinter dieser, oftmals als „Säuberungsaktion" bezeichneten Operation, steckten verschiedene Gründe. Um diese zu verstehen, muss man vor allem den Hintergrund der Beziehung zwischen Röhm und Hitler kennen. Bereits seit 1919 stand Röhm immer an der Seite Hitlers und fungierte als dessen rechte Hand. Gemeinsam vollzogen sie den gescheiterten Hofbräu-Putsch, bei welchem er und seine SA maßgeblich beteiligt waren, um im Januar 1933 die Macht zu übernehmen. Auch danach stand Röhm, Hitler immer treu zur Seite, doch Röhms Ambitionen und sein Wunsch zur Ausweitung der SA, waren nicht nur Hitler, sondern auch anderen wichtigen Personen, wie zum Beispiel Heinrich Himmler und Reinhard Heydrich, ein Dorn im Auge. Röhm hegte den Wunsch, die Reichswehr vollends durch die SA zu ersetzen, was entgegen dem stand, was Hitler plante. Er versuchte jeden Konflikt mit dem Militär zu vermeiden, um dessen Unterstützung weiterhin gesichert zu haben. Auch Himmler, Leiter der 1929 gegründeten SS, hegte einen Groll gegen Röhm, seine Motivation indessen kann aber vor allem aus seinem tiefen Hass gegenüber den Homosexuellen abgeleitet werden. Nach 1933 allerdings war die SA in ihrer bestehenden Form nicht mehr von Nöten und Hitler musste sich überlegen, wie er mit diesem „Problem" umgehen sollte. Sein Plan bestand darin, die Reichswehr als zentrale Kampfeinheit zu nutzen, nicht jedoch die SA, wie es hingegen Röhm beabsichtigte. Als er dies am 28. Februar 1934 verkündete, erzeugte er damit eine direkte Reaktion bei Röhm, welche dazu führte, dass sein Ansehen bei Hitler sank. Zwei Monate später wurden Himmler und Heydrich zu den Leitern der Gestapo ernannt und befassten sich mit ihrem Plan, Röhm auszuschalten. Sie fälschten Beweise und gaben hinterher vor, die SA habe einen Plan entwickelt, um Hitler zu stürzen.
Am 28. Juni erhielt Röhm dann ein Angebot von Hitler, sich mit der gesamten SA-Spitze Röhms und Hitler persönlich, in der Pension Hanslbauer in Bad Wiessee, zu treffen um „alle Probleme aufzuräumen". Kurz darauf wurde die Pension gestürmt und Röhm mitsamt seiner Männer verhaftet, in das München-Stadelheimer Gefängnis gebracht und am 1. Juli erteilte Hitler den Erschießungsbefehl für Röhm 14 . Zwei Tage später wurde ein Gesetz erlassen, um den Schlag gegen die SA nachträglich zu rechtfertigen.
Die zur Niederschlagung hoch- und landesverräterischer Angriffe am 30. Juni, 1. und 2. Juli 1934 vollzogenen Maßnahmen sind als Staatsnotwehr rechtens. 15
Nach weiter vergangenen zehn Tagen nahm Adolf Hitler persönlich Stellung zur „Nacht der Langen Messer" und bezeichnete sich selbst als „des deutschen Volkes oberster Gerichtsherr'' 16 . Neben der angeblichen „Röhm- Revolte", die allerorts propagiert worden ist, wurde auch keine Gelegenheit ausgelassen, Röhms Homosexualität anzuprangern. Genau ein Jahr später, am 28. Juni 1935, wurden die Verschärfungen an § 175 vorgenommen, woraufhin auch die noch verbleibende Sicherheit der deutschen Homosexuellen verschwand.
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5 http://lexetius.com/StGB/175a, vom 7.2.2015, 15:00 Uhr
6 http://www.queer.de/detail.php?article_id=14228, vom 8.2.2015, 11:11 Uhr
7 http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/7808/2010-03-08-Die-nationalsozialistischeHomosexuellenverfolgung, vom 8.2.2015, 19:57 Uhr
8 Richard Plant, Rosa Winkel, S. 40
9 http://www.schwulencity.de/hirschfeld_was_muss_volk_wissen_1901.html, vom 12.2.2015, 14:29 Uhr
10 Richard Plant, Rosa Winkel, S. 43
11 Richard Plant, Rosa Winkel, S. 43f.
12 Richard Plant, Rosa Winkel, S. 47f.
13 http://www.dunkletage.de/attentate/index.php?location=attentate_roehm&PHPSESSID=n33npr17b46o2i37skogttk8o5, vom 26.2.2015, 19:59 Uhr
14 http://www.dunkletage.de/attentate/index.php?location=attentate_roehm&PHPSESSID=n33npr17b46o2i37skogttk8o5, vom 26.2.2015, 20:00 Uhr
15 http://www.deutschlandradiokultur.de/roehm-putsch-sa-fuehrer-roehm-wirderschossen.932.de.html?dram:article_id=290450, vom 26.2.2015, 17:07 Uhr
16 http://www.deutschlandradiokultur.de/roehm-putsch-sa-fuehrer-roehm-wirderschossen.932.de.html?dram:article_id=290450, vom 26.2.2015, 17:08 Uhr
Heinrich Himmler, seit 1929 Reichsführer — SS, ab 1943 auch Reichsinnenminister und ein Jahr später, zum Befehlshaber des Ersatzheeres ernannt, hegte seit seiner Jugend bereits einen tiefen Hass gegen Homosexuelle. Die Notiz- und Tagebücher, die von ihm gefunden wurden, zeigen schon früh einen „Anflug von Sadismus" 17 , hervorgerufen durch die herrschende, tyrannisierende Hand seines Vaters, welcher maßgeblich an dem beteiligt war, was später aus Himmler geworden ist. Als kurzsichtiger, unsportlicher Junge, mit nur durchschnittlicher Intelligenz, war er nie in der Lage, groß Freundschaften zu schließen und war somit immer ein „Außenseiter". Manche vermuten, dass seine starke Homophobie daher rührt, dass er glaubte, dass „Homosexuelle mit gewissen höherwertigen Qualitäten ausgestattet seien, die ihm selbst fehlten". 18 Diese unterschwellige Angst, die er gegen Homosexuelle hegte, äußerte sich in einer übermäßigen Verachtung, die ihn dazu veranlasste, die Homosexuellen ausrotten zu wollen. Er sprach hier oft von einer „Endlausung", welche die gleichen Maßnahmen vorsah, wie für die Juden, es war seine „Endlösung" für die Homosexuellen. So pedantisch Himmler seine Tagebücher auch führte, bis auf ein paar wenige Hasstiraden auf Frauen und Homosexuelle, lässt er sich nicht weiter über dieses Thema aus. Umso mehr sprechen seine späteren Taten für sich. Himmler war besessen von dem Gedanken, die deutsche Rasse zu erhalten und zu reinigen. Im Juni 1936 übernahm Himmler die Führung der „Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und der Abtreibung". Ein Jahr später, am 18. Februar 1937, bemängelt er den „Geschlechtshaushalt" Deutschlands, welchen er für gestört hält, da laut Statistiken zwei Millionen homosexuelle Männer in Deutschland lebten. Diese zwei Millionen, plus die zwei Millionen Opfer des ersten Weltkrieges, seien vier Millionen Männer die fehlten, um neue Kinder zu zeugen. 19
Ein gutrassiges Volk, das sehr wenig Kinder hat, besitzt den sicheren Schein ...für das Begräbnis in 200 Jahren... ein Volk, dass sehr viele Kinder hat, hat Anwartschaft auf die Weltmacht und Weltbeherrschung. 20
Seine These bestand darin, dass die große Zahl Homosexueller die heterosexuellen Männer beeinflusse und sie zeugungsunfähig mache. Außerdem war Himmler der Meinung, dass der Homosexuelle ein „durch und durch psychisch kranker Mensch" sei.
Er ist weicher, er ist in jedem entscheidendem Fall ein Feigling. Ich glaube, daß er da oder dort im Krieg tapfer sein kann, auf dem der Zivilcourage sind es jedoch die feigsten Männer, die es gibt. 21
Himmlers Propaganda blieb nicht ohne Konsequenzen. Allein im Jahr 1936, wurden mehr Homosexuelle innerhalb von sechs Wochen verhaftet, als in der gesamten Weimarer Republik innerhalb von fünfzehn Jahren 22 . Seine nächste Forderung bestand darin, die Prostitution zu fördern, um junge Männer davon abzuhalten, sich „homosexuell zu betätigen". Er führte seine „Lebensborne" ein, um uneheliche Kinder und ihre Mütter zu unterstützen und versuchte sie dazu zu bringen, diese Kinder mit Stolz zur Welt zu bringen. 23
Himmler sah außerdem in der „Vermännlichung der Frau" einen „Weg zur Homosexualität".
Eine weitere Quelle der Homosexualität, sieht Himmler in der Kirche. 90 bis 100 % der Klöster seien immer homosexuell gewesen und 1937 behauptete er, die etlichen Prozesse gegen katholische Priester, wegen gleichgeschlechtlicher Unzucht, stützten sich auf handfeste Beweise. Später forderte er, dass „der Junge mit 16- 17 Jahren irgendwie mit den Mädchen zusammenkommt", da durch das verliebt sein, ein „gemeinsamen Onanieren mit Kameraden, eine gemeinsame Männerfreundschaft unter Jungenfreundschaft dieser sexuellen Art", nicht mehr in Frage käme. Die Rede ist hier vor allem von den Mitgliedern der Hitlerjugend, welche die Zukunft des Reiches darstellen sollten. In einer Rede von 1939 bezeichnet er die Homosexuellen als eine der „vier Krankheiten, deren Symptome diagnostiziert werden müssen, damit der Patient — Deutschland — endlich geheilt werden könne". 24
Himmlers nächster Schritt betraf vor allem nichtdeutsche Homosexuelle. Er wies an, dass Schwule aus fremden Volksgruppen toleriert, ja sogar gefördert, werden müssten.
Unsere Vorfahren wußten, was sie taten, wenn sie Homosexuelle aus ihren eigenen Reihen in den Sumpf versenkten, bei den besiegten Völkern, wie z.B. den Römern, aber die Homosexualität unbestraft ließen, ja sie sogar noch förderten. Das waren bevölkerungspolitisch gesehen, kluge Maßnahmen, die wir uns zum Vorbild nehmen können. 25
Himmler ging davon aus, dass Homosexualität ein Volk so sehr beeinflussen und seine Energie so sehr schwächen würde, dass er nur dafür sorgen müsste, die Herrenrasse rein zu halten, um das Problem der Homosexuellen schnellstmöglich zu lösen.
Insgesamt kann man Himmlers Hass gegen Homosexuelle als Teil eines Ganzen ansehen. Ein Krieg gegen die Minderheiten, welche die Reinheit der arischen Rasse bedrohten. Für ihn waren Schwule so „nutzlos wie Hennen, die keine Eier legen" und „zeugungsmäßige Nieten". 26 Er verglich sie mit Frauen, von denen er ohnehin keine sehr hohe Meinung hatte. Sie seien lediglich dafür bestimmt, als „Krieger an der Baby -Front" zu kämpfen und wären unfähig, logisch zu denken. Mit dieser Verweiblichung der Homosexuellen stand Himmler jedoch nicht allein. Der allgemeine Volksglaube, gerade in ländlichen Gegenden, tendierte dorthin, dem Schwulen eine Passivität und Effeminiertheit vorzuhalten. Dass Ernst Röhm, einer der großen NS -Prominenzen und Krieger, nicht unter dieser Kategorie fiel und somit eigentlich das Gegenteil beweisen müsste, wurde rigoros ignoriert.
Himmlers sexuelles Dogma des „reinen Blutes" führte im Endeffekt dazu, dass etwa 50.000 Homosexuelle, im Zeitraum von 1933 bis 1944, verurteilt worden sind. 27
Hilfreich hierbei war wohl auch das Rundschreiben, welches Himmler am 24. Oktober 1934 an aller Polizeipräsidien schickte, um diese aufzufordern sämtliche „irgendwie sich homosexuell Betätigenden" Verdächtigen zu erfassen. Das „Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutze der Parteiuniform" (Heimtückegesetz) vom 20. Dezember desselben Jahres oder auch die Verordnungen aus den Jahren 1934 und 1937, wonach verdächtige Personen augenblicklich in „Schutzhaft" genommen und später, in verschärfter Form, bei „offenbar kriminellen Tendenzen" vor Gericht gestellt werden konnten.
Doch nichts von all dem hatte wohl die Ausmaße, wie die Erweiterung von § 175 vom 28. Juni 1935, welche es den Richtern freistellte, zu entscheiden, welche Handlungen sie als „kriminelle Unzucht" ansahen und welche nicht. 28
Aufgrund der Olympischen Spiele 1936, musste die Verfolgung der Homosexuellen kurzzeitig eingestellt werden und sogar einige Bars öffneten wieder ihre Türen. Doch schon im Herbst war diese kurze Atempause wieder vorbei und Himmlers Gestapo setzte da an, wo sie aufgehört hatte. Am 10. Oktober hielt Himmler eine öffentliche Rede, in der er auch Stellung zu diesem Thema nahm:
Wir haben die Berechtigung dazu, und zwar als Nationalsozialisten... weil wir uns nicht scheuten, gegen diese Pest... auch in unseren eigenen Reihen vorzugehen... wie wir heute in der Frage der Beurteilung der rassevernichtenden Entartungserscheinungen der Homosexualität zurückkehren zu dem nordischen Leitgedanken der Ausmerzung der
Entarteten. Mit der Reinhaltung der Rasse steht und fällt Deutschland... 29
Ein weiterer bedeutender, Baustein in der Front der Schwulenverfolgung war auch Rudolf Klare. Der Rechtsanwalt veröffentlichte 1937 sein Buch „Homosexualität und Strafrecht" in welchem, unter anderem, ein Kapitel zu der Rechtslage der gleichgeschlechtlichen Vergehen existiert. Klare teilte den Akt zwischen Mann und Mann in acht Stufen ein, welche er verhältnismäßig detailliert benennt.
Des Weiteren fordert er, die Gleichberechtigung in der strafrechtlichen Verfolgung von Schwulen und Lesben, da es Frauen nach wie vor nicht gesetzlich untersagt ist miteinander intim zu werden. Jedoch räumt er auch ein, dass es sich als weitaus schwieriger erweist einer Frau ihre Homosexualität nach zuweisen, da Zärtlichkeit zwischen Frauen nicht ungewöhnlich ist und ihr sexueller Trieb weniger dominant ausgeprägt ist. Dennoch wird in einer Aussage Klares aus dem Jahre 1939 sein Frauenbild umso deutlicher, was auch als repräsentativ für viele Menschen anzusehen war. In der Zeitschrift „Deutsches Recht" spricht er von „Pflichten, die ihr [der Frau] die völkische Gemeinschaft aufgibt" und denen sie durch ihre „rassische Entartung", sprich der Homosexualität, nicht nachkommen kann und somit ein
Schädling für das Volk ist und bestraft werden muss. Eine dieser „Pflichten" war selbstverständlich die der Mutterschaft und Ehe, denn nur eine verheiratete Frau mit möglichst vielen Kindern war eine gute Frau. Auch wurde erwartet, dass sie ihre natürliche Abhängigkeit vom Mann erkennt und akzeptiert. Diese Rückstellung des weiblichen Geschlechtes spiegelte sich auch im Berufsleben wieder. Nach und nach wurden immer mehr Frauen aus den höheren Berufen und Führungspositionen verdrängt und erhielten erheblich geringere Gehälter als die Männer. 31
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17 Richard Plant, Rosa Winkel, S.76
18 Richard Plant, Rosa Winkel, S.70
19 Bradley F. Smith und Agnes F, Peterson, Heinrich Himmler Geheimreden 1933 bis 1945, S. 93
20 Richard Plant, Rosa Winkel, S. 76
21 Bradley F. Smith und Agnes F. Peterson, Heinrich Himmler Geheimreden 1933 bis 1945, S. 96
22 Richard Plant, Rosa Winkel, S.76
23 Richard Plant, Rosa Winkel, S.76f.
24 Richard Plant, Rosa Winkel, S.78f.
25 Richard Plant, Rosa Winkel, S.86
26 Richard Plant, Rosa Winkel, S.89
27 http://www.klaenge-des-verschweigens.de/material/texte/verfolgung-homosexueller-nationalsozialismus-heckmann/#sdfootnote20anc, vom 16.2.2015, 18:30 Uhr
28 Richard Plant, Rosa Winkel, S.94ff.
29 Richard Plant, Rosa Winkel, S.97
30 Rudolf Klare, Homosexualität und Strafrecht, S. 135
31 Burkhard Jellonnek, Nationalsozialistischer Terror gegen Homosexuelle, S. 71 ff.
Doch nicht nur im nationalsozialistischen Deutschland war Homosexualität eine Straftat. Auch in der benachbarten Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) wurden Schwule und Lesben verfolgt und verhaftet.
Vor 1917, zu Zeiten des russischen Zarenreichs, war Russland ein sehr konservativer, antisemitischer und homophober Staat. Homosexualität war verboten, Familie und Religion waren heilig. Obwohl es erste Zugeständnisse des Zaren nach der Revolution von 1905 gab und die Zensur in der Literatur abgeschafft wurde konnten die Homosexuellen Russlands erstmal nach der Februarrevolution von 1917 aufatmen und sich etwas sicherer mit ihrer sexuellen Orientierung fühlen. 32 Auch wurde der Zwang der Eheschließung und somit das Ideal der Familie aufgehoben und die Stellung der Frau in der Gesellschaft aufgewertet. Bis zur Machtübernahme der Bolschewistischen Partei im Oktober desselben Jahres konnten Homosexuelle also frei und legal leben und auch die Bolschewisten propagierten anfangs noch landesweit sexuelle Liberalität. 33
Doch dieser Zustand hielt nicht für lange an. Nach der Gründung der UdSSR und Stalins Machtübernahme wurde Homosexualität erneut illegalisiert und der gemachte Fortschritt machte einen großen Rückschritt, woraufhin der der Staat selbst die Führung über die Schwulenverfolgung übernahm und der Zwang der Eheschließung und Familiegründung erneut verfestigt wurde. 1933 erließ Stalin den Artikel 121, welcher es ihm erlaubte, Homosexuelle zu fünf Jahren Zwangsarbeit zu verurteilen. Dieser Artikel galt in Russland noch bis zum 27.Mai. 1993. 1999 wurde Homosexualität endgültig von der Liste der Geisteskrankheiten gestrichen. Nach Stalins Tod, im März 1953, veränderte sich jedoch die Motivation der Homosexuellenverfolgung erheblich. Es ging nicht länger ausschließlich darum die „faschistische Perversion" der Homosexualität zu unterdrücken, sondern auch darum, das eigene Machtmonopol aufrecht zu halten. Durch die Androhung, jemanden als homosexuell zu denunzieren, brachte die Regierung unangenehme Oppositionelle zum Schweigen und benutzte Artikel 121 mehr als politisches Druckmittel als ethnischen „Säuberungsparagraphen. 34 Trotz dieser kleinen, strategischen Veränderung wurden, zwischen 1934 und 1991, 60.000 bis 250.000 Männer, wegen ihrer Homosexualität, verurteilt und das Thema an sich, in der Gesellschaft „totgeschwiegen". 35
Auf die Abschaffung von Artikel 121 im Jahre 1993, folgte eine erneute kurze Welle der Liberalität und Akzeptanz, gegenüber Homosexuellen. Doch erneut wurde dieses Aufkommen von Freiheit und Gleichberechtigung unterdrückt, diesmal von der postsowjetischen Bewegung der russischen orthodoxen Kirche, welche Homosexualität wie bereits im Mittelalter als schwere Sünde deklarierte. 36
Wohingegen in Deutschland Homosexuelle rechtlich heutzutage kaum noch etwas zu befürchten haben, ist die Lage im modernen Russland alles andere als problemlos. So hat Präsident Wladimir Putin Ende Juni 2013 seine Unterschrift unter das „Gesetz gegen Homosexuellen-Propaganda" gesetzt, welches besagt, dass man sich ,besonders im Beisein von Kindern, nicht mehr positiv über gleichgeschlechtliche Liebe äußern darf und dieses Thema aus den Medien gehalten werden muss. Tanya Cooper welche fìir die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) tätig ist, sieht sogar voraus, dass die „ohnehin prekäre Situation" der Homosexuellen in Russland nun noch schlechter werde, da die Polizei bei einem Angriff auf einen Schwulen auch nicht mehr ermitteln würde.
„Sie meinen, die Schwulen seien selber schuld, dass sie sich und ihre Homosexualität zeigen."
So Cooper in einem Interview mit der „Deutschen Welle". 37
In einer Stellungnahme zu diesem Thema sagt Putin derweilen aus, dass Russland von der Homosexualität gereinigt werden müsse, vor allem im Hinblick auf die niedrige Geburtenrate. Es ginge ihm nicht um das Verbot der Homosexualität an sich, sondern darum, Werbung für diese „nicht traditionelle Orientierung" zu unterbinden, vor allem vor den Kindern. 38
4) Zu den Informationen, deren Verbreitung unter Kindern verboten ist, gehören Informationen:
So die Neufassung des Föderalen Gesetzes, Verstöße gegen Selbiges werden mit hohen Geldbußen bestraft.
Auch das Fahrverbot für Transvestiten und Transsexuelle vom Januar 2015, fällt in diese Kategorie der Diskriminierung sexueller Minderheiten. Hier wurden diese kurzerhand, zusammen mit Exhibitionisten, Voyeuristen, Kleptomanen, Spielsüchtigen und Menschen mit einer Körpergröße unter 1,50 Meter, auf eine Liste gesetzt und ein Gesetz erlassen, wonach sie keinen Führerschein mehr besitzen dürfen, auf Grund einer angeblichen Persönlichkeitsstörung. 40
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32 http://de.rbth.com/meinung/2013/08/14/zwischen_strafe_und_akzeptanz_homosexualitaet_in_russland_25435.html, vom 21.2.2015, 14:30 Uhr
33 http://jungle-world.com/artikel/2010/05/40303.html, vom 21.2.2015, 19:55 Uhr
34 http://jungle-world.com/artikel/2010/05/40303.html, vom 21.2.2015, 19:55 Uhr
35 https://www.antosch-and-lin.com/german/translate-text-573, vom 8.3.2015, 20:15 Uhr
36 http://de.rbth.com/meinung/2013/08/14/zwischen_strafe_und_akzeptanz_homosexualitaet_in_russland_25435.html, vom 21.2.2015, 14:30 Uhr
37 http://www.dw.de/russische-homosexuelle-fliehen-in-die-usa/a-17562119, vom 15.3.2015, 12:47 Uhr
38 http://www.handelsblatt.com/politik/international/interview-mit-russlands-praesident-putin-vergleichthomosexuelle-mit-paedophilen/9355094.html, vom 21.2.2015, 14:08 Uhr
39 http://www.quarteera.de/blog/dertextdergesetzesaenderungenzurpropagandanichttraditionellersexuellerbeziehungen, vom 22.2.2015, 20:43 Uhr
40 http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/russland-transsexuelle-sollen-keinen-fuehrerschein-mehrmachen-duerfen-a-1012038.html, vom 21.2.2015, 12:44 Uhr
5.1 Mein persönliches Fazit
Nach der intensiven Auseinandersetzung mit dieser Thematik, welche ich in dem Rahmen dieser Facharbeit leider nicht vollständig ausführen konnte, komme ich zu dem Schluss, dass Homophobie ein schon immer verbreitetes und vielseitiges Phänomen ist, dessen Ursachen in verschiedenen Motiven zu finden sind. Es lässt sich natürlich diskutieren ob es angebracht ist, an dieser Stelle tatsächlich von „Homophobie", also einer Angst vor Homosexuellen zu sprechen oder ob „Schwulenhass" an dieser Stelle nicht bezeichnender wäre. Jedoch unabhängig vom Namen, ist das, was hinter diesen Ausdrücken steckt und was sich in unterschiedlichen Facetten und an den unterschiedlichsten Orten zeigt.
Zum einen spielt Religion sicherlich eine entscheidende Rolle, doch auch die öffentliche Toleranzschwelle gegenüber Minderheiten und Subkulturen ist zu beachten. Heutzutage leben wir in einer zunehmend liberalen, multikulturellen Gesellschaft, welche ein relativ hohes Maß an Aufgeschlossenheit voraussetzt. Dennoch ist Homophobie noch in den unterschiedlichsten Lebensbereichen zu finden, so wird es im Leistungssport nach wie vor als Nachteil angesehen homosexuell zu sein, was der Grund dafür ist, dass sich nur verhältnismäßig wenig Sportler „outen". Auch in der Kirche gilt Homosexualität noch als „Tabuthema" und in Schulen werden viele Jugendliche ausgeschlossen und drangsaliert, wenn diese erkennen, dass sie von der sexuellen Norm abweichen. Und obwohl sich immer mehr Gruppen mit anderer sexueller Orientierung für ihre Rechte einsetzen, wie zum Beispiel die „Lesbian, Gay Bisexual and Transgender - Community" (LGBT) oder im deutschen Sprachraum der „Lesben und Schwulenverband in Deutschland" (LSVD), gibt es Menschen die sich wiederum auf alte Wertvorstellungen beziehen und argumentieren, dass Homosexualität falsch sei, da es entgegen natürlicher, arterhaltender Triebe wäre oder es sich im Falle von Jugendlichen lediglich um eine „Phase" handle, aus der man wieder „rauswachse". Insbesondere die zuerst hervorgebrachten Argumente ähneln stark der, von den Nationalsozialisten hervorgebrachten, Argumentation, welche eine „Homosexualisierung" der Gesellschaft propagierte. Insbesondere Himmler sprach schließlich immer wieder von der „Abnormalität" und „Entartung" der Homosexuellen. Doch obwohl ich Heinrich Himmler hier als Beispiel der Homophobie angeführt habe, glaube ich nicht, dass dessen Meinung repräsentativ für das Meinungsbild der gesamten Gesellschaft ist, vielmehr glaube ich dass Himmler ein Mann war, bei dem der Begriff „Homophobie" tatsächlich zutrifft, nämlich, dass er eine tatsächliche „Phobie", eine Angst gegenüber den Homosexuellen empfand. Die Art der Aufgeschlossenheit und der Toleranz, wie wir sie heute als fast schon selbstverständlich sehen, ist bei der Allgemeinheit der Gesellschaft im Nationalsozialismus natürlich nicht vorauszusetzen. Besonders die auf dem Land lebenden Menschen legten Wert auf ihre Traditionen sowie ihre Religion, weswegen eine generelle Ablehnung gegenüber Homosexuellen, dort zumindest, normal war. In den Städten dagegen nahmen die Menschen wohl weniger Anstoß an einer anderen sexuellen Orientierung, als der eigenen. Da dort auch der Großteil der Homosexuellen lebte und es Bars und Klubs gab, in denen sie sich treffen konnten. Adolf Hitler selber zum Beispiel, gilt als nicht öffentlich homophob, da ihm schließlich bewusst war, dass sein Freund Ernst Röhm schwul war, er aber erst 1934 Maßnahmen gegen diesen ergriffen hat und dies auch erst auf Drängen Himmlers hin. Der Nationalsozialismus und die dort vollzogene Verfolgung der Homosexuellen stellt also, meiner Meinung nach, noch einen Sonderfall dar, weil es sich hier um eine extreme Art der Homophobie handelt, welche überwiegend von der Gesetzgebung herrührte. Wie bereits erwähnt, war die „Veranlagung" zur Homophobie bereits da, doch ist sie erst in einem solchen Extrema von Gewalt umgeschlagen, als Hitler die Verschärfung von § 175 veranlasst hat. Die Argumente der „Rassenreinheit" und „Rassenerhaltung", welche sich in abgeschwächter Form heute noch finden lassen; aber auch Himmlers Verschwörungstheorien, haben dazu beigetragen, dass das Volk, zum einen tatsächliche Angst vor den Homosexuellen entwickelt hat, zum anderen aber auch Hass. Angst und Hass deshalb, weil das deutsche Volk Hitler als den großen Retter ansah, welcher sie aus der Krise in eine bessere Zukunft leiten sollte. Die Vorstellung, dass er von etwas so „unnatürlichem" und „undeutschem" gestürzt werden könnte, wie Himmler es propagiert hat, muss beängstigend gewesen sein und zugleich eine ungemeine Wut hervorgebracht haben. Ich glaube, dass diese Propaganda im Prinzip genau so funktioniert hat, wie mit dem vorgegebenen Antisemitismus. Das deutsche Volk war im Beginn weder extrem antisemitisch noch homophob, sondern wurde durch angestrengte Propaganda und Gesetzeserlasse antisemitisch und ebenso homophob „gemacht". Ich möchte nicht hergehen und diese beiden Phänomene gleichsetzen, sondern lediglich auf gewisse Parallelen hinweisen:
Der Anfangs schwache Judenhass, entwickelte sich erst richtig nach dem die Nürnberger Rassengesetze erlassen wurden, die systematische Schwulenverfolgung konnte ebenfalls erst durch die Verschärfung von § 175 ihren Höhenpunkt erlangen.
Um noch einmal auf das Buch „die Wohlgesinnten" und somit meinen eigentlichen
Ausgangspunkt zu dieser Facharbeit zurückzukommen, ist auffällig, dass die Homosexualität des Hauptprotagonisten, Maximilian Aue, ein zwar fortwährendes und ernstzunehmendes „Problem" darstellt, welches aber auch stets nebensächlich erscheint, da es nie so tiefgreifend thematisiert wird, sondern viel mehr am Rande erwähnt. Ernstzunehmend deshalb, da es ihn sein Leben gekostet hätte, wenn seine sexuellen Vorlieben sowohl inner-/ als auch außerhalb der SS bekannt geworden wäre. Ich denke durchaus, dass dies auch auf die Problematik der Homosexualität in der Realität des Nationalsozialismus zutreffend erscheint. Die Verfolgung ist zwar aktiv und gründlich betrieben worden und jeder Schwule, welcher verhaftet wurde, auch in ein Konzentrationslager geschickt worden ist, um dort früher oder später zu sterben. Obwohl vereinzelte Individuen (z.B. Heinrich Himmler) viel Zeit und Energie in die Vernichtung der Homosexuellen gesteckt haben, so lag ihr Schwerpunkt doch stets unter dem der Judenverfolgung, da die Nazis die Juden als noch größere Bedrohung ansahen. Auch ist auffällig, dass Aue, obwohl selbst homosexuell, freiwillig einem System dient und an dieses glaubt, welches ihn selbst und „seinesgleichen" verfolgt und verachtet.
Im Endeffekt, denke ich, dass es darauf hinausläuft, dass totalitäre Staaten es sich schlicht nicht erlauben können, ihrem Volk zu viel Raum für individuelle Entwicklungen und Freiheiten zu geben, da dann die Gefahr bestünde, gestürzt zu werden. Auch die Rolle eines „inneren Feindbildes" scheint mir ein Merkmal für Diktaturen und ähnliche Staatsformen (z.B. „Gelenkte Demokratie") zu sein, da es bei einem solchen inneren Feind keine Rolle spielt, ob die angebliche Gefahr nun von Homosexuellen, Juden oder einer anderen Minderheit ausgeht. Es kommt lediglich auf das Feindbild als solches an und die Art und Weise, wie die Regierung auf dieses reagiert. Ein „aktives" Vorgehen gegen den „inneren Feind", in diesem Fall die Homosexuellen, repräsentiert die Macht des Staates und gibt dem Volk ein Gefühl von Sicherheit und Schutz durch den Staat.